Wow – was war das für eine dynamische und inspirierende Veranstaltung am 17. August 2019!

Unter dem Motto „Gleiche Teilhabe von Mädchen und Frauen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen“ haben wir von fim Berlin Brandenburg interessierte Menschen eingeladen, um etwas zu bewegen auf dem Parkett der Geschlechtergerechtigkeit. Unsere Vision als fim und unser oberstes Ziel sind Parität und Diversität auf allen Ebenen des Berufslebens: 50 Prozent Frauen und Männer in Führung, in allen Positionen und auf jeder Berufsstufe. So auch in den Medien als einer von vielen Bereichen, in denen noch sehr viel bewegt werden muss. Gemeinsam mit 40 interessierten Gästen haben wir uns in den Räumen von Oracle Deutschland in Berlin Mitte dieser Vision wieder ein Stück genähert und sind einen ersten großen Schritt gegangen.

Warum diese Veranstaltung und dieser Fokus auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen?

Dafür gibt es aus unserer Sicht mehrere Gründe. Ein sehr prägendes Argument liefert die Schauspielerin und Filmproduzentin Geena Davis. Sie sagte: „If she can see it, she can be it.“ Das bedeutet so viel wie:

Das, was wir sehen, können wir uns vorstellen zu sein und zu leben. Übertragen auf das Fernsehen eröffnen die Bilder, die über den Bildschirm transportiert werden, Räume des Möglichen und Machbaren. Das, was wir dort sehen, erscheint uns als möglich, realistisch und vielleicht als nachahmenswert. Das kann sowohl eine Chance aber auch gefährlich sein und bedarf deshalb einer großen Verantwortung derer, die am „Schalthebel“ der Geschichten sitzen, die durch Bilder erzählt werden – seien es Drehbuchautor*innen, Regisseur*innen, Kameraleute oder Protagonist*innen.

Das entscheidende Argument, warum wir uns auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen konzentriert haben, ist jedoch, dass die Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einen Bildungsauftrag sowie eine Informations- und Aufklärungspflicht haben, die über die GEZ-Gebühren von jeder Bürgerin und jedem Bürger mitfinanziert werden und die Existenzgrundlage der Sendeanstalten sind. Diese jedoch kommen in unterschiedlichen Bereichen ihrem Auftrag unzureichend nach. Vor allem die Darstellung von Mädchen-, Frauen-, Jungen- und Männerrollen ist oft so unrealistisch, dass es nicht verwundert, wenn junge Menschen irritiert ins Leben starten, wenn sie im Fernsehen nach Vorbildern suchen. Denn das, was sie im Fernsehen sehen, gibt ihnen vor, was im Leben möglich und erstrebenswert ist. Was sie dort bewusst oder auch unbewusst wahrnehmen, wirkt auf ihre Sozialisation und Identitätsbildung. Die Wissenschaft belegt diesen „Zustand“ mittlerweile sehr deutlich.

Bestätigt wurde dies unter anderem in der von Maria Furtwängler initiierten und von Frau Prof. Elisabeth Prommer und Christine Linke durchgeführten Studie „Ausgeblendet: Frauen im deutschen Film und Fernsehen“. Die Zahlen sind alarmierend, die Ergebnisse erschreckend. Deshalb müssen wir handeln. Frau Prof. Prommer stellte die Erkenntnisse der Studie auf unserer Veranstaltung vor. Wir konnten in den Gesichtern unserer Gäste lesen, dass kaum jemand mit einer solch dramatischen Schieflage gerechnet hatte.

Die Studienerkenntnisse zusammengefasst:

  1. Frauen sind deutlich unterrepräsentiert.
  2. Altersgap – wenn Frauen vorkommen, dann als junge Frauen: Je älter die Schauspielerin ist (über 30), desto weniger hat sie Chancen auf eine Rolle (auf eine Frau kommen drei Männer).
  3. Männer erklären die Welt, sie sind die Experten, Game-Show Moderatoren, Journalisten und Sprecher: 79% aller Expert*innen in Talk- und Informationsformaten sind Männer, nur 21% sind Frauen.
  4. The future is equal? Nicht, wenn es nach dem Kinderfernsehen geht: Kinderkörper werden häufig sexualisiert und realitätsfern dargestellt. Das ist umso dramatischer, da sich junge Menschen ganz besonders mit den Rollen identifizieren und so falsche Vorbilder kreiert werden

Darstellung weiblicher Körper im Kinderfernsehen

  • 67% der weiblichen Figuren sind zu dünn und NICHT im normalen Bereich,
  • 50% der weiblichen Figuren liegen sogar in einem anatomisch NICHT möglichen Bereich,
  • Nur 33% der weiblichen Figuren liegen in einem natürlich schlanken Bereich.

Darstellung männlicher Körper im Kinderfernsehen

  • 75% der männlichen Figuren werden realitätsnah dargestellt und liegen im natürlichen Bereich.

Impulse, Gedanken und Aktionspunkte

Aus all diesen Gründen entstand unsere Motivation für die Veranstaltung. Wenn die Gesellschaft Frauen im Management haben möchte, muss es eine frühzeitige Prägung und Orientierung für die Mädchen geben, dass es normal ist, diesen Weg zu wählen. Nach den wichtigen wissenschaftlichen Grundlagen von Frau Prof. Dr. Prommer, heizte uns ImproBerlin als Überraschungsgast so richtig ein. Ein geniales WarmUp mit Stories zu Mann und Frau, direkt aus „dem Leben gegriffen“.

Im Anschluss näherten wir uns dem Thema über drei Keynotes von Katja von der Bey (Vorständin und Geschäftsführerin der Weiberwirtschaft), Judith Scholz (Geschäftsführerin und Steuerberaterin sowie Intelligentes Netzwerken) und Hannes Häfele (Vertriebsdirektor Oracle Deutschland). Wir erhielten dadurch eine geschichtliche, aktuelle und zukünftige Einordnung des Themas „Management und weibliche Führung“.

Ein ungewöhnliches Format

Nach den Keynotes starteten wir richtig durch: Ab in die Arbeitsgruppen! Denn diese Veranstaltung war ungewöhnlich – kein Podium, keine Beschallung von vorn, sondern aktive Mitarbeit. Warum? Weil wir alle Expert*innen sind! Dafür braucht es keine großen Namen auf der Bühne. Denn wir wollen wirken, bewirken und bewegen. Das können wir nur durch Aktion. In Workshops mit kleinen Gruppen diskutierten wir über die Darstellung (qualitativ und quantitativ) weiblicher und männlicher Rollenbilder in Spielfilmen, als Expert*innen und im Kinderfernsehen. Wir sammelten Impulse, Gedanken und Ideen zu den Fragen:

  • Wie bildet das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Wirklichkeit ab, was fällt uns heute besonders negativ auf?
  • Wie prägen uns die Medien und warum gibt es noch nicht 50 : 50 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen?
  • Welche Wirkung wünschen wir uns und wie wollen wir Frauen und Mädchen im Fernsehen sehen?
  • Was können wir tun, um das zu erreichen?

Unser Fazit zur Veranstaltung

Fakt ist – da waren sich alle Gruppen einig: Es muss etwas passieren! Unsere Veranstaltung war ein ersterSchritt, mit den Studienergebnissen zu arbeiten und konkrete Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten. Was muss sich wie ändern, damit das Ziel der gleichen Teilhabe von Mädchen, Frauen, Jungen und Männern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erreicht werden kann. Wir wollen wachrütteln und die Tatsachen stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft tragen. Es sind konkrete Ideen erarbeitet worden, die wir im nächsten Schritt zusammenfassen und in ein fundiertes Forderungspapier gießen werden. Damit gehen wir im Laufe des kommenden Jahres auf die Sendeanstalten zu und diskutieren mit den Medien, der Politik und der Gesellschaft.

Wir danken allen Teilnehmer*innen und werden auch die Energie aus den bereichernden Workshops in unsere weitere Arbeit mitnehmen. Wir fühlen uns bestärkt, unser Ziel innerhalb der nächsten 10 Jahre umzusetzen,und freuen uns auf alle, die uns unterstützen und mittun wollen. Sind Sie an den Ergebnissen der Studie von Frau Prof. Prommer und Dr. Christine Linke interessiert? Dann lesen Sie hier gerne mehr: https://www.imf.uni-rostock.de/institut/aktuelles/aktuelles/detailansicht-der-news/n/studie-zu-frauen-im-deutschen-film-und-fernsehen-in-berlin-vorgestellt-49255/

Janine Tychsen
Regionalleiterin fim Berlin Brandenburg